„Der Lohn ist eine Flut an Umarmungen“
Wilhelmshaven - Dankbarkeit über das große Glück im Leben und im Frieden aufgewachsen zu sein: Für Christel Brandt-Jaedeke sind das motivierende Gründe, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Für ihr Engagement im Caritasverband ist sie kürzlich von der Stadt Wilhelmshaven geehrt worden. Eine Auszeichnung, über die sie sich zwar gefreut hat, die ihr aber wenig bedeutet. "Die Urkunde hänge ich mir nun nicht ins Wohnzimmer. Für mich ist das Ehrenamt eine Selbstverständlichkeit." Die Anerkennung ihrer
Arbeit durch die Nominierung habe sie jedoch sehr gefreut.
Von Anfang an Geflüchtete unterstützt
Zwei "Cari-Lädchen" betreibt der Caritasverband in Wilhelmshaven. Eines im Familienzentrum West, eines in der Schellingstraße. Hier ist die 71-Jährige seit vier Jahren ehrenamtlich tätig. Neben zahlreichen Regalmetern Babykleidung hält die Kleiderkammer auch ein umfangreiches Sortiment an Kleidung für Erwachsene vor. Und das wüssten viel zu wenige, findet Brandt-Jaedeke. "Viele Menschen kennen die Cari-Lädchen entweder gar nicht oder denken, wir haben nur Kinderkleidung vorrätig." Dabei würden gerade Menschen miteinem geringen Einkommen hier etwas finden. Die Gründe, warum Menschen den Laden aufsuchen, erfährt die Wilhelmshavenerin nicht.
"Manchmal erzählen die Menschen ihre Geschichte. Aber letztlich spielt es keine Rolle, warum sie kommen. Hauptsache wir können helfen."
Christel Brandt-Jaedeke ist ehrenamtlich im Cari-Lädchen, der Kleiderkammer des Caritasverbands in Wilhelmshaven, tätig.@ Kea Ulfers
Und das Helfen liegt der Wilhelmshavenerin förmlich im Blut. Als 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kommen, ist sie eine der Ersten, die den Menschen unter die Arme greift. Sie hilft bei Behördengängen, bei der deutschen Sprache und fährt sogar mit einer Familie in den Urlaub. Eine Frau flüchtet vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland, ihre Kinder und ihren Mann kann sie zunächst nicht ins Land holen.
NOTIZEN VOM NACHBARN
Gemeinsam mit einer Freundin setzt sie sich unermüdlich dafür ein, die Familie der Frau nach Deutschland zu holen. "Es hat fast ein Jahr gedauert. Aber den Moment, als der Zug in Wilhelmshaven angekommen ist, werde ich nicht vergessen." Auch nach der Familienzusammenführung kümmerte sich Brandt-Jaedeke um die Familie. Ihr Mann unterstützt ihr Engagement zu diesem Zeitpunkt sehr, fährt aber ungern in den Urlaub und so schlägt er ihr vor, die syrische Familie mitzunehmen.
"Ich habe einen Wohnwagen in Neuharlingersiel gemietet und dann ging es los. Das war der schönste Urlaub überhaupt." Den Kindern bringt sie das Schwimmen bei. "Und Drachen steigen, das kannten sie gar nicht." Bis heute ist der Kontakt eng, die Kinder sind mittlerweile groß und besuchen ein Gymnasium in Wilhelmshaven.
Christel Brandt-Jaedeke wächst in Wilhelmshaven auf,erlernt den Beruf der Kosmetikerin, arbeitet später bei Douglas und wechselt dann zur Kosmetikmarke Lancôme. "Ich war dort Schulungsleiterin und viele Jahre im Außendienst tätig."
Soziale Kontakte besonders wichtig
Ein Grund, warum sie nie die Stadt verlassen hat. "Ich war sehr viel unterwegs und habe viele Großstädte gesehen." Ihr Fachwissen als Kosmetikerin setzt sie lange Zeit ehrenamtlich bei der DKMS Aktion "Schminken für krebskranke Frauen" ein. Darüber hinaus war sie gemeinsam mit ihrem Mann viele Jahre Ensemblemitglied beim Theater am Meer. "Das habe ich irgendwann aufgegeben, weil es einfach zu viel wurde." 2018 stirbt ihr Mann − seitdem ist ein soziales Netzwerk von noch größerer Bedeutung
geworden. Angst, Menschen anzusprechen, hat sie nicht, auch allein in den Urlaub fährt sie. "Heutzutage kann man sich mit dem Handy ja alles übersetzen lassen und daraus entwickeln sich immer tolle Gespräche." Und wie es der Zufall will, benötigt aktuell eine Flüchtlingsfamilie in ihrer Nachbarschaft ihre Hilfe. Auf spielerische Weise bringt sie den vier Kindern die deutsche Sprache bei. "Der Lohn ist eine Flut an Umarmungen."