Kürzungen gefährden erfolgreiche Integration
Wilhelmshaven - Ein junges Mädchen flieht aus Afghanistan nach Deutschland. In ihrem Heimatland hat sie nie eine Schule besucht. Jetzt hat sie eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte abgeschlossen. Oder die Mutter von vier Kindern, die in ihrem Heimatland aufgrund von Krieg und der anschließenden Flucht keine Berufsausbildung beginnen konnte. Dank der Hilfe von Integrationslotsinnen und -lotsen traut sie sich nun, dieses Vorhaben anzugehen.
Zahl der Betroffenen ist hoch
Dr. Monika Stamm könnte noch viele solcher Geschichten erzählen. Sie ist Koordinatorin der Integrationslotsen beim Caritasverband für das Dekanat Wilhelmshaven. Doch das Land Niedersachsen will die Mittel des Integrationsfonds kürzen. Damit steht nicht nur der Arbeitsplatz von Stamm auf der Kippe, sondern das ganze Projekt. Stamm hat es einmal hochgerechnet: Mehr als 1500 Menschen wären direkt betroffen, wenn das Projekt eingestellt werden müsste.
Aktuell begleitet jeder Lotse im Schnitt drei Familien, die durchschnittlich aus fünf Personen bestehen. Sprich: allein 20 aktive Lotsen kümmern sich um 300 Menschen, so Stamm. Sie helfen Geflüchteten bei der Orientierung in einer für sie völlig neuen Umgebung und Gesellschaft, stehen mit Rat und Tat zur Seite, helfen bei Behördengängen oder sind sonst für die Menschen da. Hinter dieser ehrenamtlichen Arbeit steht die Koordinierungsstelle, deren hauptamtliche Kräfte für die Organisation und als wichtiger Kontaktpunkt für die Behörden der Stadt Wilhelmshaven unverzichtbar seien.
Mehr als nur Bürokratiehilfe
Aber auch die Organisation der Angebote, wie das Café international oder Events innerhalb der interkulturellen Wochen, seien wichtig. "Gerade bei solchen Veranstaltungen erreichen wir unheimlich viele Menschen", erklärt Stamm. Und das Besondere:
Hier treffen Menschen unterschiedlicher Herkunft aufeinander, was nicht nur helfe, Vorurteile abzubauen, sondern auch für Kontakte untereinander sorge. "Der Mehrwert solcher Veranstaltungen ist groß."
Doch neben dem Austausch sieht Stamm auch den wirtschaftlichen Aspekt dieses Projekt. Denn ein Großteil der durch Integrationslotsen betreuten Geflüchteten hat den Weg in die Arbeitswelt gefunden. "Sie sind ermutigt worden,ihr Potenzial voll auszuschöpfen."
@ Caritas
Keine Planbarkeit möglich
Viele würden mittlerweile in den unterschiedlichsten Berufen arbeiten, insbesondere in der Pflege. Weil die Integrationslotsen den Menschen bei vielen Fragen zur Seite stehen und immer da sind, wenn es Probleme gibt, sei das Projekt so erfolgreich.
Bis zum Ende des Jahres sei die Projektarbeit finanziell noch gesichert, erklärt Alexander Witton, Geschäftsführer des Caritasverbands Wilhelmshaven. Aber nur, weil der Landesverband der Caritas die nötigen Eigenmittel aufbringen konnte. "Das hätten wir als Verband vor Ort nicht geschafft." Seit 2017 gewährt das Land Niedersachsen Kommunen, die aufgrund einer überproportional hohen Zuwanderung von Schutzberechtigten einen besonders großen Teil der Integrationsarbeit zu tragen haben, Mittel für Maßnahmen und Projekte. Die Stadt Wilhelmshaven wurde jährlich mit einer Million Euro aus dem Integrationsfonds unterstützt, 2024 mit 1,3 Millionen Euro.
Das landesweite Budget soll nun von bisher zehn auf drei Millionen Euro gekürzt werden. "Wir wissen nicht, wie hoch das mögliche Budget künftig ausfallen wird, haben also keinerlei Planungssicherheit." Denn bis heute liegt dem Caritasverband keine Rückmeldung des Landes vor. Dabei sei die Förderrichtlinie schon am 31. Dezember 2024 ausgelaufen. Fest stehe aber schon jetzt: Sollte das Projekt nicht fortgeführt werden können, werde eine Schnittstelle verloren gehen, ist sich Witton sicher. Und genau die Schnittstelle sorge für Integration und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt.