Armut und Nachhaltigkeit – wie soll das gehen?
Wilhelmshaven/Friesland - Gesunde Ernährung und ein nachhaltiger Lebensstil prägen nicht nur unseren ökologischen Fußabdruck, sondern sind auch teuer. "Hartz IV"-Empfänger oder Menschen mit geringem Einkommen
können sich das nur in den seltensten Fällen leisten, dabei ist die Gruppe am stärksten vom Klimawandel
betroffen. Unsere Redaktion hat bei verschiedenen Wohlfahrtund Sozialverbänden nachgefragt, wie Armut und Nachhaltigkeit zusammenpassen.
Caritasverband Alexander Witton ist Geschäftsführer des Caritasverbands Wilhelmshaven. In den Beratungen, die der Verband anbiete, fließe der Nachhaltigkeitsgedanke dort ein, wo er Sinn ergebe, erklärt Witton. "Wichtig ist, dass alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Nachhaltigkeit beitragen können", findet Witton. So sei es wichtig, dass jeder und jede sich darauf besinnt, welcher Teil im Rahmen der Möglichkeiten beigetragen werden könne. "Ich schaue leider besorgt in die Zukunft, die Energie- sowie Lebenserhaltungskosten werden uns noch hart treffen und die Beratungsnetze sind bereits völlig überlastet."
Arbeitsloseninitiative "Nachhaltigkeit ist in unseren Beratungen überhaupt, kein Thema", erklärt Olaf Schubert von der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven- Friesland (ALI). "Für viele wird es schon zum Problem, Leuchtmittel auf LED umzustellen, weil es kaum leistbar ist." Ein Großteil seiner Klienten gehe zur Tafel und leiste somit einen kleinen Beitrag zur Nachhaltigkeit. "Jeder möchte sich natürlich gesund ernähren und Bioprodukte kaufen, aber für eine Vielzahl von Menschen ist das nicht möglich." Gerade die aktuelle Kostenexplosion verschärfe das Problem.
"Menschen, mit geringem Einkommen leben unfreiwillig klimafreundlicher.
Heide Grünefeld
Migrationsberatung Diakonie
Diakonisches Werk Heide Grünefeld ist Theologin und Migrationsberaterin des Diakonischen Werks Friesland- Wilhelmshaven. "In der Regel leben Menschen, die von Armut betroffen sind oder ein niedriges Einkommen beziehen, unfreiwillig klimafreundlicher. Denn sie leisten sich eben keine teuren Reisen oder kein fünftes Paar Schuhe", sagt Grünefeld und fügt hinzu: "Niemand sucht sich Armut oder ein niedriges Einkommen freiwillig aus." In den Beratungen spiele das Thema Nachhaltigkeit eher eine untergeordnete Rolle. "Wir betreuen Menschen, die so multiple Probleme haben, dass sie oft einfach nicht den Kopf für solche Themen haben." Es sei wichtig, diese nicht zu verurteilen und zu stigmatisieren, wenn sie beispielsweise Billigfleisch kauften. "Wir kennen die Gründe nicht, warum jemand arm ist, und sollten daher vorsichtig mit Vorurteilen sein."
Familienzentrum West Das Familienzentrum West ist eines von vier Zentren in Wilhelmshaven, die unterschiedliche Angebote im Bereich Freizeit, Beratung, Pädagogik und Information bieten. Sie ist damit Anlaufstelle für viele und stark im sozialen Raum verankert. "Das Thema Nachhaltigkeit und Armut ist bei uns im Haus natürlich ein großes Thema und wir versuchen im wieder Aufklärungsarbeit zu leisten", betont die Sozialpädagogin Imke Diefenbach-Janßen. Mit Angeboten mithilfe von Kooperationspartnern versuche man Familien zu zeigen, wie mit vermeintlichem Müll weiter gearbeitet oder gebastelt werden könne. Auch die Zweigstelle des Cari-Secondhand-
Lädchens befindet sich im Familienzentrum. Hier können Familien unabhängig vom Einkommen Kleidung spenden und sich bei Bedarf neue Kinder-Secondhandkleidung wieder mitnehmen. "Wir müssen weg von der Konsumgesellschaft, denn Kinder brauchen nicht viel und auch nicht immer die neuesten Sachen. Kleidung, Bücher und Spielsachen können gut Secondhand oder im Tausch erworben werden", findet Diefenbach-Janßen. Man müsse Kinder in dieser Hinsicht stärken.
Zukunft Leben ist ein gemeinsames Projekt des Jeverschen Wochenblattes und der Wilhelmshavener Zeitung. Wöchentlich, immer montags, beschäftigen sich die Autoren mit der Frage, wie wir in Zukunft (besser) leben
können und mit Ressourcen schonender umgehen. Dabei werden verschiedene Aspekte des alltäglichen Lebens beleuchtet.
Sie möchten den ganzen Kommentar unseres Geschäftsführers lesen? Dann klicken Sie bitte hier.
Quelle: Wilhelmshavener Zeitung vom 22. August 2022 von Kea Ulfers