Wilhelmshaven bleibt im Schuldneratlas weiter vorne
Wilhelmshaven - Die Zahl überschuldeter Privatpersonen in Deutschland ist 2024 zum sechsten Mal in Folge gesunken und erreichte den niedrigsten Stand seit 2004. Dieser positive Trend spiegelt sich jedoch in Wilhelmshaven nur minimal wider: Obwohl die Überschuldungsquote laut Schuldneratlas leicht zurückging, liegt die Stadt mit 14,38 Prozent weiterhin weit über dem Durchschnitt Niedersachsens (8,09 Prozent) und bleibt kontinuierlich Schlusslicht im Bundesvergleich.
Ein Bild, das sich auch in der Praxis der Schuldnerberatung der Caritas Wilhelmshaven widerspiegelt "Wir erhalten bis zu zehn Anfragen täglich, von überschuldeten Personen, die eine umfassende Schuldnerberatung wünschen", erklärt Schuldnerberaterin Gabriele Kindt. "Zudem sehen wir eine Zunahme von akut in Not befindlichen Ratsuchenden. Da geht es dann um existenzsichernde Notfallberatungen."
Leben für viele Menschen unbezahlbar geworden
Das Thema sei nicht neu, betont Kindt. "Durch die Entwicklung der vergangenen Jahre und die gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten ist das Leben für viele Haushalte buchstäblich unbezahlbar geworden.
Wie der Jahresbericht des Caritasverbands für das Dekanat Wilhelmshaven zeigt, kamen 2024 382 Ratsuchende in die Schuldnerberatungsstelle. Vielen Menschen könne in der Regel nach kurzer Zeit geholfen werden, eine umfassende Schuldnerberatung sei jedoch sehr zeitaufwendig. Die hohe Nachfrage führte im vergangenen Jahr zu individuellen Wartezeiten von bis zu anderthalb Jahren. "Dieses Problem konnten wir durch Personalaufstockung allerdings in den Griff kriegen und so die Wartezeit in diesem Jahr auf nur noch wenige Wochen verkürzen", erklärt Geschäftsführer Alexander Witton.
P-Bescheinigungen zeigen Notlage
Wie schwierig die Situation in Wilhelmshaven sei, zeige auch die dramatische Zunahme bei der Ausstellung von sogenannten P-Konto-Bescheinigungen. Das P-Konto ermöglicht einen Pfändungsschutz des Girokontos. Pfändet ein Gläubiger das Konto, ist das P-Konto die einzige Möglichkeit, das Guthaben auf dem Konto zu sichern. Auf Verlangen muss die Bank das eigene Girokonto in ein P-Konto umwandeln. Damit ist automatisch ein Grundbetrag im Monat auf dem Konto vor Pfändungen geschützt. Sofern Kinder versorgt werden müssen, kann die Schuldnerberatungsstelle eine Bescheinigung ausstellen, um diesen Freibetrag zu erhöhen. Von 2023 auf 2024 hat sich die Zahl der ausgestellten Bescheinigungen von 74 auf 183 mehr als verdoppelt. Die Anzahl der ausgestellten Bescheinigungen stieg von 2023 zu 2024 um mehr als 100 Prozent, von 74 auf 183 an. Diese Entwicklung hält an, so Kindt. "Mit 150 ausgestellten
Bescheinigungen in diesem Jahr ist es wahrscheinlich, dass wir diese Vorjahreszahl nochmals übertreffen werden."
Warum Überschuldung jeden treffen kann
Soziales Schuldnerberatung der Caritas berät immer mehr Rentner - Finanzierung bleibt unzureichend
Wilhelmshaven - Der plötzliche Verlust eines Partners, eine schwere Erkrankung oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Es gebe viele Gründe, warum Menschen in eine Überschuldung geraten.
"Es kann jeden treffen", sagt Gabriele Kindt, Schuldnerberaterin beim Caritasverband für das Dekanat Wilhelmshaven. Gleichzeitig müssten es aber auch nicht die ganz großen Katastrophen im Leben sein. Denn für viele Menschen sei das Leben mittlerweile kaum noch bezahlbar.
Immer weniger Haushalte verfügen über Rücklagen
Gabriele Kindt schildert eindringlich die existenzielle Notlage. "Manche Ratsuchende können sich ab dem 20. eines Monats keine Lebensmittel mehr leisten. Kommen dann unvorhergesehene Ausgaben hinzu, wird die Situation schnell existenzbedrohend." Dies liege auch daran, dass immer weniger Haushalte Rücklagen bilden können.
Das Thema Überschuldung sei noch immer mit Scham belegt und voller Klischees, so Kindt. "In unsere Schuldnerberatung kommen keine Menschen, deren Überschuldung auf exzessiven Luxuskonsum zurückzuführen ist." Vielmehr würden Menschen aus allen sozialen Schichten die Hilfe in Anspruch nehmen. Eine Gruppe wachse dabei besonders stark: Rentner, die von Altersarmut betroffen sind. Das Ziel der Schuldnerberatung sei dabei, Menschen dabei zu unterstützen, ihre finanzielle Situation zu ordnen und mögliche Wege aus der Krise zu finden. Über die reine Schuldenregulierung hinaus nimmt sie einen ganzheitlichen Blick auf die verschuldete Person und ihre Problemsituation. So werden auch gegebenenfalls weitere Beratungsstellen hinzugezogen, um die problematische Situation nachhaltig zu verbessern. Die Beratung ist für alle Ratsuchenden kostenfrei und umfasst auch die Verhandlung mit Gläubigern sowie die gegebenenfalls notwendige Insolvenzantragsstellung. Die Schuldnerberatung wird anteilig durch eine fallbezogene Vergütung vom Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie finanziert.

Finanzierung der Beratung schwierig
Seit 2020 leistet die Stadt Wilhelmshaven einen maßgeblichen Beitrag zur Kostendeckung, ergänzt durch eine jährliche Landeszuwendung für die Caritas als Träger. Trotz dieser Mehrfachfinanzierung ist keine auskömmliche Finanzierung der Schuldnerberatung möglich, erklärt Caritas-Geschäftsführer Alexander Witton.
Zusätzliches Personal könne daher gar nicht eingestellt werden. Derzeit stehen der Schuldnerberatung lediglich eine Beratungskraft mit 19,5 Stunden und eine Verwaltungskraft zur Verfügung. Angesichts der 382 Ratsuchenden im vergangenen Jahr sei das eine enorme Beratungsleistung, betont Witton.
Quelle: Wilhelmshavener Zeitung von Kea Ulfers vom 10.Oktober 2025